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Hannoveraner Körung 2011

Die Hengstkörung in Verden fand wieder mal bei tollem Indian Summer Feeling Wetter statt und liegt nun hinter uns. Dieses Jahr haben wir überlegt, ob wir überhaupt einen Bericht darüber schreiben sollen. Der Trakehner Hengstmarkt wird ja bei clipmyhorse live gezeigt und archiviert und auch wenn es in Verden dieses Jahr nicht "live" zuging, so hat doch der Verband einen tollen Service geliefert mit den Videoclips der Dreiecksbahn und dem Freispringen. Damit kann jeder geneigte Interessent einen Eindruck der jeweiligen Hengste für sich persönlich erhalten, auch wenn er nicht vor Ort sein konnte.

Im Zeitalter des Internets, mit diversen Foren, Facebook, Twitter und co sind die Hengste schon längst besprochen, bewertet, niedergemacht oder hochgelobt, bevor auch nur die bekannten Zeitungen ihre Berichte drucken können. Sobald sie auf dem Markt sind, ist alles schon wieder "alter Käse", den jeder schon kennt, gehört oder gelesen hat.

Auch die zweijährigen Hengste schon bei den Vorauswahlen zu filmen und die Clips bei youtube ins Netz zu stellen ist immer mehr in Mode gekommen. So kann jeder der mag die Entwicklung der Hengste von früh an begleiten. Natürlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Hengste im besten Falle noch eine Entwicklung von der Vorauswahl bis zur Körung durchmachen sollen und müssen. Aber das scheint doch einige nicht davon abzuhalten, die Hengste teilweise gerade noch vor dem Hengstmarkt nicht nur konstruktiv öffentlich zu kommentieren. Wirtschaftliche Interessen der Aussteller oder Züchter werden entweder nicht berücksichtigt oder aber bewusst ignoriert. Es scheint eher der Spielplatz der eigenen Eitelkeiten zu sein. Auch das verschiedene Pferdezeitschriften nicht immer neutral ihrer Berichterstattung nachgehen, sondern sehr wohl wie in der Vergangenheit oft genug bewiesen, ihr persönlichen Geschmäckle niederschreiben ist mittlerweile bekannt. Da kommt es schon mal vor, dass persönliche oder politische Interessen der schreibenden Zunft sich in den Berichten zu diversen Zuchtveranstaltungen niederschlagen. Allzu menschlich!

Ein Novum war dieses Jahr sicherlich aber, dass jetzt sogar ein Blog aus Verden auf der online Plattform einer bekannten Pferdezeitschrift erschienen ist. Schade, dass vom Chefredakteur, der lange Jahre schon die Moderationen für den Trakehner Gala Abend übernimmt, nicht auch Blogs zu den Veranstaltungen in der Holstenhalle geschrieben hat (Trakehner und Holsteiner). So bleibt bei vielen der Eindruck der politischen Berichterstattung, zumal auch Hengste nicht von Ironie bzw Sarkasmus verschont blieben. Ob man diese Art der "Berichterstattung" mag oder nicht bleibt jedem geneigten Leser selber überlassen. Und natürlich auch den Hengsthaltern, Ausstellern, Züchter und Käufern.

Gerade eine Hengstkörung ist ein Gesamtpaket von drei Tagen plus Vorauswahl. Oft ist man geneigt, nur einen Clip oder seine persönliche Meinung darzustellen und damit den Eindruck zu vermitteln, man hätte ein komplettes Bild abgebildet. So aber kann es niemals sein, auch wir kratzen uns zu weilen am Kopf und verstehen einige Entscheidungen nicht.
Ob es negative oder positive Entscheidungen sind. Oder unsere Einschätzungen ob wir mit den Kommission konform gehen, was die Bewertungen von Exterieureigenschaften angeht. Für uns sind einige Hufformationen hier und da nicht körfähig, oder aber die Einschienung hinten bei einigen Hengsten nicht prämienwürdig. Bei einigen Hengsten teilen wir nicht Einschätzung was die Springveranlagung angeht, bei einigen Hengsten sehen wir die Qualität der GGA nicht so wie die Körkommission. Wir sind dem Himmel sei Dank nicht Teil der Körkommissionen, müssen keinen Spagat machen zwischen Politik, monitären Interessen oder Zuchtfortschritt versus Sportlichkeit. Wir sind nur unserer eigenen Zucht verantwortlich und darüber sind wir mehr als froh.

Wir leben nicht gerade in einer einfachen Situation was die Pferdezucht momentan angeht. Ob Kostenexplosion bei Futter etc, die Diskussion, dass immer mehr ländliche Züchter ihr Tafelsilber - die Stuten - nicht mehr decken lassen, die vielen "städtischen" Züchter, die von diesem Geschäft nicht leben müssen, sondern monatliche "Abschreibungen" nicht scheuen. Die Frage der Qualität in der Deutschen Pferdezucht überall macht es auch nicht einfacher. Und sein wir ehrlich, es ist ein Wandel zu sehen, ob wir ihn gutheissen oder nicht. Man kann sich anpassen, seine Schiene finden oder ganz aufhören mit der Zucht. Aber gerade den Deutschen ist eine Kultur sehr nahe, die erstmal die eigene Zucht ständig bemäkelt, die eigenen Reiter und Pferde immer wieder öffentlich schlecht redet und oft genug keinen Schulterschluss zeigt wenn es um die eigentliche Ziele geht, nämlich gemeinsam einen Weg durch Netzwerk und Zusammenhalt eine "kritische" Situation zu bewältigen.

In NMS wurden gerade mal 2(!) der 7 Prämienhengste verauktioniert. Auch dort ist ein Wandel zu sehen. Immer mehr private Hengsthalter stellen die Hengste vor und wollen sie verständlicher Weise nicht dem Markt und damit der Konkurrenz unterwerfen. Welche Signalwirkung dies auch auf ausländisch, potentielle Kunden hat, darf jeder für sich bewerten.

In Verden stellten sich 87 Hengste der Kommission, 47 durften die Niedersachsenhalle gekört verlassen. 14 Prämienhengste wurden ausgerufen und wir freuen uns sehr darüber, dass sich das Lager der Springhengste und der Dressurhengste die Prämien zur gleichen Hälfte teilen konnten. Es zeigten sich 51 Hengste aus dem Dressurlager und 36 Hengste aus dem Springlager, was die hohe Prämierung der Springer absolut in ein noch besseres Licht stellt. Vor einigen Jahren noch wurde der Untergang der Hannoveraner Springpferdezucht überall im Land gesungen und die diesjährige Körung hat der positiven und stetigen Steigerung der Springhengste in Hannover das Krönchen aufgesetzt.
Die Auktion war im Durchschnitt fast genauso wie beim Hengstmarkt 2010, aber gerade die Springhengste spülten dieses Jahr den Züchtern bzw Ausstellern viel Geld in Taschen, was doch sehr ermutigend sein dürfte für den Einsatz von Springhengsten in den nächsten Jahren.

Schon auf der Dreiecksbahn zeigten sich die Springer durchaus elastisch, mit energischem Hinterbein und man wartete gespannt auf den Freitag mit dem Freispringen. Was das Dressurlot anging, so war dies sicherlich nicht der beste Jahrgang der sich in Verden dieses Jahr zeigte, da gab es schon bessere Jahrgänge. Eine kleine Spitze und ein breites Mittelfeld möchten wir es nennen. Mit der Kopfnummer 1 kam aber einer unserer Lieblinge auf die Bahn. Ein hochsympathischer Sohn des Belissimo M aus einer E.H. Hohenstein-Donnerhall Mutter. Vielleicht nicht übertrieben verschwenderisch in seinen Aktionen, blieb er aber immer sehr schön im Gleichgewicht und lockerem Takt. Wir sind sehr auf seine weitere Entwicklung unter dem Sattel gespannt und freuen uns dass er im Land verbleibt und auf die Station Jens Meyer geht. Auch die Nr 2 von Belissimo M aus einer Rubin Royal Mutter wurde gekört und mit einer Prämie bedacht. Er ging für 70.000 EUR nach Nordrhein-Westfalen. Mit einer weiteren Prämie bedacht wurde ein Burlington Sohn aus einer Pic L. Mutter. Ein sehr maskulin daherkommender Sohn der für 78.000 EUR in das Nachbarland Niederlande verauktioniert wurde. Wir sind sehr gespannt auf seine weitere Entwicklung unter dem Sattel.

Dann kam der absolute Publikumsliebling über alle Tage. Ein Dunkelfuchs von Dancier aus einer Rotspon Mutter. Er wurde erwartungsgemäß auch Prämienhengst und wurde der teuerste Hengst des Hengstmarktes. Er verbleibt für 315.000 EUR bei seiner neuen Besitzerin Kristin Andresen und dem Gestüt Katrinelund. Der nächste Prämienhengst stammt ab von dem international erfolgreichen GP Hengst Desperados der aus einer A Jungle Prince Mutter stammt und geht auch ins Ausland für 70.000 EUR. Glückwunsch nach Osterreich.

Der nächste Prämienhengst von Fidertanz/E.H. Friedensfürst betrat nicht zum ersten Mal das Verdener Parkett. Er war 2009 als Fohlen verkauft worden. Nun geht er für 105.000 EUR an neue Besitzer aus Australien. Auch der Fidertanz Sohn aus einer Stedinger Mutter wurde prämiert. Ein nobler Strahlemann mit lockeren Bewegungen und tollem Interieur und Ausstrahlung geht ins Landgestüt Dillenburg für "günstige" 33.000 EUR. Der nächste Prämienhengst wurde für 70.000 EUR nach Dänemark verkauft und stammt ab von Londontime/ Florestan. Wir mochten den Hengst, der auch von hinten gut abfusste und sind auch bei ihm sehr gespannt auf seine weitere Entwicklung. Wir denken dass die Prämienhengste sehr gut verauktioniert wurden und wünschen allen Besitzern alles Gute für die weitere Ausbildung und Gesundheit der Hengste.

Die Neuerung der diesjährigen Dreiecksbahn und das Freilaufen, eingebettet in die Niederländische 8 war sehr positiv zu bewerten. Nicht nur dass man das Interieur besser beurteilen konnte, sondern auch wie sich Hengste, die sich sehr gut auf der Dreiecksbahn präsentierten, dann doch hier und da Schwächen zeigten beim Wechsel in verschiedene Richtungen und bei der Beibehaltung oder auch nicht Beibehaltung des Gleichgewichtes. Und die neue 8 wurde den Springhengsten auch gerechter. Zeigten sie sich schon auf dem Dreieck sehr gut, dynamisch und mit Kraft abfussend von hinten mit oft wesentlich besserem Rücken, so konnten sie ihre GGA, ihren Geist und ihre Einstellung sehr gut darstellen. Es waren wirklich sehr moderne Abstimmungen dabei, naturgemäß Holstein geprägt und nach den sehr positiven gezeigten lockeren GGA zeigten sie auch beim Freispringen viel Vermögen und Technik.

Canstakko war mit seinem ersten Jahrgang vertreten und zeigte u.a. mit einem Sohn aus einer Sir Shostakovich xx-Mutter einen sehr interessanten Hengst aus einem super Mutterstamm. Dieser Hengst aus dem Stamm der Ordalie der u.a. auch FRH Abraxxas hervorbrachte wurde prämiert und für 60.000 EUR dem LG Celle zugeschlagen. Der nächste Spitzenspringer stammte ab von Clintord -Singular Joter und war ein wirklich sehr schöner Schwarzbrauner mit toller Technik und Vermögen. Er wird zukünftig für 110.000 EUR seinen Hafer in Dänemark bekommen. Wir mochten diesen Hengst sehr gerne leiden. Der nächste Prämienhengst von Graf Top-Sandro Song wurde mit viel Geist für 90.000 EUR nach Australien verkauft. Des weiteren wurde ein sehr statiöser Hengst von Lord Spezi für 180.000 EUR nach NRW verkauft. Wir sind sehr gespannt auf seine weitere Entwicklung. Ein vor Kraft nur so strotzender Hengst und viel Überlegenheit am Sprung.

Dann kam - was die Sportlichkeit angeht - unser Liebling: Ein sehr modern aufgemachter Hengst von Quaid/Escudo. Auch mit sehr viel Geist ausgestattet, sehr leichtfüßig und wie wir glauben mit dem richtigen Jockey ein Hengst für den späteren schweren Sport. Er verbleibt in Niedersachsen für 210.000 EUR. Ein Stakkato Sohn aus einer Couleur Rubin Mutter ging für 100.000 EUR nach NRW und dann kam wohl der Hengst "Nonplusultra" mit der letzten Prämierung: Ein unglaublich formschöner, mit super Typausprägung ausgestatteter Hengst von Valentino aus einer Acorado Mutter: Ein super Interieur, super GGA, tolles Springen, da passte alles zusammen. Wir freuen uns sehr dass das LG Celle den längsten Atem bewies mit 270.000 EUR und gratulieren von Herzen.

Wir haben ein sehr gutes Lot an Springern gesehen, was Mut macht auf die Zukunft. Wir haben wie wir meinen einen nicht so überragenden Dressur Jahrgang gesehen, mit wirklichen Highlights. Aber auch mit vielen Fragezeichen und der Fragestellung: Quo Vadis? Die geforderten Leitlinien der Hannoveraner Zuchtleitung wie "Rücken" muss bei den Züchtern immer mehr in den Fokus geraten. Der Schritt ist immer noch nicht das, was wir in der breiten Masse sehen wollen. Viele Hengste erscheinen uns zu maskulin für ihr Alter. Ohne einen gut funktionierenden Rücken brauchen wir auch nicht mehr über das langsame Abfassen aus der Hinterhand zu diskutieren. Das haben wir zur Genüge die letzten Jahre angemerkt. Werden zu viele erfolgsversprechende Fohlen auf den Auktionen zu früh für den Deutschen Hengstmarkt ins Ausland verkauft? Ist die Qualität den Züchtern anzukreiden, oder kören wir die "falschen Hengste" wie es Land auf Land ab gerade gesungen wird? Wir haben keine Antwort und wollen sie auch nicht geben, denn das steht uns nicht zu.

Wir sind super zufrieden mit den Springern dieses Jahr, ihrer Präsentation, ihrer Blutvielfalt und ihren sportlichen Möglichkeiten. Und sind mehr als glücklich dass Käufer dieses auch im Genensatz zu den Dressurpferden so honoriert haben. An dieser Stelle bedauern wir eigentlich immer, dass kein Siegerhengst mehr in Verden ausgerufen wird. Und hatten auch die Möglichkeit, dieses bei diversen Zuchtveranstaltungen zu fortgeschrittener Zeit an der Basis der Zuchtleitung auch anzubringen. Danke mal an dieser Stelle an die Verantwortlichen. Dieses Jahr hätten wir sehr gerne gewusst welcher Hengst denn vorne gestanden hätte ... unseren Siegerhengst haben wir uns ausgeguckt!

Aber wir müssen auch zugeben, dass bei aller Tradition und Taramtaram um den Siegerhengst und seiner Ehrenrunde, wir der Entscheidung das erste Mal voll und ganz folgen. Es ist richtig die Prämienhengste zu proklamieren und die Verteilung der Hengste auf die Stuten so breiter zu fächern. In der Tat ist es zu einer Verschiebung der Begehrlichkeiten gekommen und der Lämmingeffekt der neu strukturierten Züchterschaft wird erschwert. Ein Siegerhengst ist nunmal der Siegerhengst, ob es das Publikum so deklariert hat oder die Körkomission. Man orientiert sich daran und das kann es mit Hinsicht auf die eigene Stutenbasis nicht immer hilfreich sein, wenn man nicht vor Ort war um den einen oder anderen "Fehler" zu sehen über drei und mehrere Tage die Entwicklung der Junghengste zu verfolgen.

Fazit: Wir haben viele Fragezeichen mitgenommen von den drei Körveranstaltungen, Holstein jetzt unbesprochen, und sind auf die Entwicklung der Pferdezucht in den nächsten Jahren sehr gespannt.

 


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