Trakehner Körung 2011
Für die Fotos bedanken wir uns herzlich bei Jutta Bauernschmitt
Same procedure as every year möchte man meinen … wieder einmal trafen sich die Trakehner Fans in Neumünster zur Körung, Galaschau und Auktion, und wie immer gab es auch dieses Jahr wieder reichlich Orakel im Vorfeld. Wer glauben wollte, dass sich das sensationelle Ergebnis von 2010 noch mal toppen lassen würde dem sei seine Fantasie gegönnt. Weniger schockierend wären dann doch einige gewesen wenn man sich von Vorneherein damit abgefunden hätte, dass sich solche Resultate eben eher mal nicht häufen. Ein Blick in den Katalog und es war zudem klar, dass in diesem Jahr eine Reihe interessanter Junghengste gar nicht erst zum Verkauf kamen. Am Ende waren es dann 5 von 7 Prämienhengsten, die direkt beim Besitzer auf Station gehen werden – das so etwas nicht ohne Effekt auf die Verkaufspreise sein kann muss klar sein. Wenigstens kann jetzt keiner dem Verband im Nachhinein den Vorwurf machen nur für den Verkauf zu kören – dann hätten sich die Herren nämlich ganz klar anders entscheiden müssen!
All das ist aber eigentlich nicht der Punkt unseres Resümees nach der Körung. In diesem, wie in kaum einem Jahr vorher, wurde klar, dass sich die Trakehner Züchter ganz zügig allumfassend Gedanken zum Zuchtziel machen sollten, wollen sie in 10 Jahren noch existieren. Derart viele „Spezialisten“ für das Dressurlager wie in diesem Jahr, die dann im Gegenzug beängstigend wenig allgemeine Sportlichkeit an den Tag legten wenn es ans Springen ging, haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Im Verbandsorgan „Der Trakehner“ wird die „Top-Qualität der Prämienhengste“ in diesem Jahrgang beschworen – ein Jahrgang der „definitiv zu überzeugen wusste“, dessen „breite Qualitätsspitze ein Aushängeschild für den Zuchtfortschritt“ ist. Da muss man sich schon fragen, ob man eventuell auf einer ganz anderen Veranstaltung war!
Um es vorweg zu nehmen: der neue Siegerhengst Häwelmann (v. E.H. Hofrat - Artistic-Rock) war genau das – ein in allem sehr guter Hengst, der sich hervorragend in allen drei Grundgangarten bewegen konnte, einen richtig guten Sprung ablieferte, auf einem soliden Fundament steht (mit Hufen die zum Körper passen!) und der durch sein abgeklärtes Auftreten und seine Manieren wirklich als vielseitig verwendbares Reitpferd zu gefallen wusste. Hier stimmte alles. Er fand eine neue Heimat in einem ausgewiesenen Sportlerstall, man darf also hoffen, dass er sich auch unter dem Sattel ganz seinen Möglichkeiten entsprechend zeigen kann.

Siegerhengst 2011: Häwelmann
Wir halten eigentlich auch nichts davon, die „Begehrlichkeit“ in Verkaufspreisen zu messen, denn begehren kann man auch Pferde, die man sich eben nicht leisten kann oder will. Der abysmale Verkaufserlös der nicht-prämierten Hengste war dennoch ein Schock. Haben die Stationen also alle ausgesorgt, jeder seinen Gribaldi im Hause? In der Reihe der „normal gekörten“ gab es doch den ein oder anderen, dem man ein Plätzchen an der Sonne (sprich mit Prämie) eher zugetraut hätte als der am Ende fast ausschließlich mit glänzenden Rappen besetzten Prämienriege. NMS 2011 bestand vor allem aus einem auffallend springschwachen Jahrgang, in dem einige wenige Spitzen am Ende im Kopf blieben. Dazu zählte ganz ohne Frage und entgegen seines dressurlastigen Pedigrees der Distelzar-Sohn Polarzar, dessen Muttervater Sixtus hier vielleicht doch auch ein Wörtchen mitzureden hatte. Der Hengst (der ebenfalls nicht zum Verkauf stand) zeigte eine fast katzenartige Geschmeidigkeit mit erstklassiger Technik und ganz viel übersicht am Sprung. Er steht im Besitz von der Schweizer Grand Prix Dressurreiterin Andrea Wicki-Mäder, die auch schon den Vater Distelzar im großen Sport herausgebracht hat. Sie wird wissen, was sie an diesem Edelstein hat. In diesem Zusammenhang ist übrigens auch interessant, dass Distelzar sehr oft mit gut springenden Söhnen in NMS auftrumpft – hier wird tatsächlich das Zuchtziel noch erreicht! Und die Distelzar Söhne sind auch entsprechend erfolgreich im Sport, vornehmlich in der Dressur, aber auch dort soll man mitunter ein kraftvolles, dennoch geschmeidiges und sportliches Pferd benötigen.

Polarzar v. E.H. Distelzar
Der beste Springhengst 2011 war auch wirklich der Beste im Lot, mit etwas wenig Technik zum jetzigen Zeitpunkt, aber absolut überlegener Kraft, mit Vermögen und der richtigen inneren Einstellung: Glücksruf v. Dramatiker – Opernball aus der erstklassigen Ganschower Zucht hatte schnell ganz viele Fans, zum einen sicherlich weil seine leuchtende Fuchsfarbe eine echte Entspannung für die von Dunkel/Schwarzbraun/Rappe geplagten Augen war, zum anderen weil er einfach alles gut machte – eine der besten Schrittrunden der Veranstaltung, im Trab mit einem aktiven Hinterbein und Tragkraft, in der Galoppade vor allem kraftvoll, dazu mit einem echten Trakehner Gesicht gesegnet und zudem auch noch auf einem grundsoliden Fundament stehend – was muss ein Hengst eigentlich sonst noch mitbringen?

Glücksruf v. Dramatiker
Der 2. Reservesieger, der ebenfalls als großes Talent am Sprung angepriesen wurde, konnte uns allerdings überhaupt nicht überzeugen. Der Hengst wurde einige male ungünstig in die Springreihe abgelassen, womit er aber bei weitem nicht alleine war. Nur wurde er einfach immer ängstlicher, machte Fehler, und zeigte schlicht nicht die innere Einstellung, die man sich dann eben vor allem von einem Hirtentanz-Sohn verspricht. Am Ende gab’s dann eine Prämie, der 2. Reservesiegertitel, was nicht nur bei uns ganz erheblich für Kopfkratzen sorgte. Dieser Dürrenmatt stammt aus einer guten (nicht herausragenden) Stutenfamilie, und ist über Exorbitant xx – Habicht interessant gezogen. Er ist zudem ein überzeugendes Bewegungspferd, dazu typstark und Rappe. Ein Kompromiss ist dieser Hengst dennoch und wir verweisen wieder auf die eingangs gestellte Frage – was züchten wir eigentlich?
Da ja insbesondere auch die „ausgezeichnete Stutenfamilie“ im Falle des Dürrenmatt besonders hervorgehoben wurde sei an dieser Stelle die Anmerkung erlaubt, dass auf dem Endring ein Impetus Sohn aus einer DER springstärksten, bewiesenen Familien überhaupt (Bekasine) ging, dem man dann aber doch nicht ein „gekört“ zuerkennen wollte. Ähnlich auch der Fall des Heops Sohnes Botero. Seine Mutter ist nun wirklich über alle Zweifel erhaben, stellte sie doch u.a. den internationalen Springhengst Balisto Z (Z wie in Zangersheide!) und kommt auch aus einer kleinen, aber erfolgreichen Springdynastie (die auch immer wieder gute Dressurpferde gebracht hat!). Botero war spätreif, ganz ohne Frage, und am Sprung eher mal nicht die Sorte Überflieger, aber doch deutlich besser als die meisten anderen und kören wir nicht 2jährige Hengste? Wenn dann auch einer mal aussieht wie ein 2jähriger ist das ein Zeichen mangelnder Qualität? Warum muss sich nun Botero erst noch in der HLP beweisen um wieder vorgestellt zu werden (vorläufig nicht gekört) aber wir haben wieder mind. 3-4 Einheitsbraune mehr im Lot der gekörten? Wenn wir schon 17 Hengste als kleine Bundeszucht mit knapp 1000 Fohlen im Jahr kören, warum werden dann nicht entsprechend Zeichen gesetzt? Wenn schon die Mütter als Qualitätsindiz herhalten, warum dann nicht die mit der sporterfolgreichen Nachzucht – warum werden immer noch Prämientitel im Namen als „Erfolge“ verbucht? Sie sind es nicht. Sie werden aber mit Sicherheit der Untergang dieser Zucht, wenn nicht ganz schnell ein Umdenken einsetzt. Wer sich in diesem Zusammenhang mal die Haare raufen möchte, dem sei die Zusammenfassung einer Bachelor Arbeit zum GP Programm des Verbandes in der November Ausgabe des Verbandsmagazins ans Herz gelegt (nicht weil die Arbeit schlecht ist, ganz im Gegenteil!!).
Im Lager der Blüter gab es dieses Jahr ein zur Abwechslung mal mutiges Novum: der Vollbluthengst United Nations xx (v. Lauries Crusador xx – Fierant xx), der mit Trakehner Equidenpass ausgestattet ist, wurde gekört und machte richtig Spaß, zumal er einen erstaunlich guten Sprung zeigte und auch ansonsten mit viel Knieaktion und Motivation seine Runden drehte. Auch erfreulich ist seine neue Station, der Söderhof in Walsrode – hier werden internationale Buschcracks gezüchtet (z.B. Bettina Hoy’s Lafranco TSF) und so wird dieser Hengst sicherlich reiterlich als auch züchterisch seine Chance erhalten.

United Nations xx v. Lauries Crusador xx
Den Preis des besten Halbblüters gewann der unheimlich wertvoll gezogene Herzurf-Sohn Touch my Heart. Seine Mutter Temple Touch xx ist ein echter Tausendsassa, in allen Leistungsstutbüchern der FN eingetragen, dazu mit mehreren Nachkommen international im Busch und national im Springparcours vertreten. Für eine kurze Zeit war dann die Welt in NMS auch wieder heile.

Touch my Heart v. E.H. Herzruf
Anstelle einer Besprechung der einzelnen Hengste wollen wir uns dieses Jahr auf ein sehr ernüchterndes Fazit beschränken und zeigen lieber noch ein paar Highlights der Gala (vielen Dank an Jutta Bauernschmitt).
Und es geht doch ... Speed Derby mit Motorrad und überzeugenden Pferden bei der Gala:
Kurt v. Nerv

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Herzgold v. Gipsy King

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Bonaparte AA v. Benedict N AA

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Hengst des Jahres 2011: der großartige E.H. Münchhausen TSF (v. E.H. Hohenstein - Königsstein) aus dem Besizt des Gestüts Wiesenhof in Krefeld.
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